frgmntd lmnts / lmntl frgmnts
8. Februar – 5. April 2025
Special Opening Hours: Galerierundgang Charlottenwalk: Friday, 14 March 2025, 12am–9pm
kunstraum | Das Heinzel-Element
Beate Scheder about Nicole Heinzel at Galerie kajetan Berlin | 8 February – 5 April 2025
Beate Scheder | Nicole Heinzel | taz 19 February 2025 | S. 24, Berlin tazplan

Die Galerie kajetan freut sich, mit frgmntd lmnts / lmntl frgmnts die erste Einzelausstellung der Künstlerin Nicole Heinzel (*1969) in ihren Räumen präsentieren zu dürfen. Die Arbeiten Heinzels verbinden Malerei und Zeichnung sowie Abstraktion und Figuration auf eindrucksvolle Weise. Mit einer über die Jahre perfektionierten Impasto-Technik und der daraus resultierenden Plastizität ihrer zweidimensionalen Werke erschafft die Künstlerin Bilderwelten, die auf natürlichen Formen basieren. Durch Reduktion, Fragmentierung und Neuformation entsteht jedoch letztlich ein nicht-figürliches, universelles Vokabular.

Das Fragment als Methode und die Struktur als visuelles Ergebnis bestimmen Heinzels künstlerische Praxis seit jeher. Es ist eine stete Suche nach der Essenz und dem verbindenden Moment aller sichtbaren wie unsichtbaren Dinge, die die Künstlerin mittels formaler Reduktion und teils mikroskopischer Annäherung aufnimmt. Ihre Scapes wie auch LINEscapes verdeutlichen eindrucksvoll ihren künstlerischen Ansatz, der von einem multidisziplinären Zugriff geprägt ist:
Die Künstlerin projiziert eigens fotografierte Landschaften, Wald-, Meeres- oder Wolkenansichten vergrößert auf eine Leinwand, die vollständig mit einer 2 bis 3 mm starken, noch feuchten Farbschicht bedeckt ist. In diese zeichnet oder schneidet Heinzel die Außen- und Innenlinien ihrer naturbasierten Motive, um nach einer längeren Trocknungsphase eine zweite Farbschicht vollflächig aufzutragen. Diese wird anschließend abgetragen, sodass die Sekundärfarbe nur noch in den Linien und Vertiefungen zurückbleibt.

Die ausgefeilte Impasto-Technik erinnert an druckgrafische Verfahren und verleiht den Werken eine reliefartige Oberfläche. Dabei fordern die so geschaffenen Bilder unsere Wahrnehmung heraus: Blicken wir auf Meeres-, Landschafts- und Himmelsszenen oder doch — wie im Falle der bekannten LINEscapes — auf abstrakte, konstruktivistisch anmutende Farbflächen?

Mit digitalen und analogen Methoden der Inversion von Vorder- und Hintergrund, Masse und Raum, Licht und Schatten verfremdet die Künstlerin ihre natürlichen Motive wie Rosenblätter oder Baumkronen, ebnet visuelle Hierarchien ein und führt das ursprüngliche Motiv so in eine universelle Struktur über. Wir sehen kontrastreiche Kompositionen, die Dynamik, eindrucksvolle Volumina und taktile Oberflächen vermitteln. Dabei navigiert Heinzel gekonnt zwischen Mikro- und Makroperspektiven einer farb- und formreduzierten organischen Welt, zwischen ihrer Präsenz und Abwesenheit.

Ihre Motive fängt die Künstlerin auf unmittelbare Weise ein — mittels eines der ersten fotografischen Verfahren, der Cyanotypie*, die sie direkt in der Natur fertigt. Obwohl dieses Verfahren der Künstlerin lediglich zur Motivfindung dient und die Cyanotypien stets weiterverarbeitet werden, stellt der Herstellungsprozess an sich — das Auftragen der sich durch Sonneneinstrahlung blau färbenden chemischen Substanz mittels eines Pinsels — bereits den Übergang zur Malerei her. Blau als wiederkehrende Farbe in Heinzels Werk verweist damit auch auf diesen analog-fotografischen Schritt innerhalb ihres phasenreichen Schaffensprozesses.
Um diesen zu strukturieren, greift Heinzel auf sogenannte Frameworks zurück — selbst auferlegte Parameter, die den Malakt lenken. So setzt sie sich Timer und unterbricht ihre Arbeit zu festgelegten Zeiten, um die jeweiligen Stadien ihres Bildes zu bewahren, ein Überarbeiten zu vermeiden und, entscheidender noch, den kreativen Prozess offenzulegen. Dieses Zusammenspiel aus Konstruktion und spontaner Intuition prägt alle Werkgruppen der Künstlerin und spiegelt ihre tiefgehende Auseinandersetzung mit dem Medium Malerei und dem Akt des Malens selbst wider.

Während ihre Frameworks das vermeintlich Unvollendete hervorbringen und einzelne Schaffensphasen im Bild ‚einfrieren‘, zeigt die abschließende Wachsschicht in Heinzels Arbeiten ihren Anspruch an Perfektion. Diese Schicht glättet die Oberfläche, kaschiert Spuren von Pinselstrichen und verleiht den Werken eine an Fotografien erinnernde Oberflächenästhetik, die den Kontrast zwischen Prozesshaftigkeit und Vollendung betont.

Ihre Werke vermitteln jedoch nicht nur den Mal- und Schaffensprozess selbst, sondern reflektieren vor allem auch die Mechanismen unserer Wahrnehmung, die selektiv, subjektiv und damit fragil ist. Indem die Künstlerin die Grenzen von Fotografie, Cyanotypie, Zeichnung und Malerei auflöst und sich eines gleichberechtigten multidisziplinären Ansatzes bedient, gelangt sie zu einer vielschichtigen Ästhetik, die von organischen Formen, reliefartiger Plastizität und flächiger Abstraktion getragen ist.

Die Ausstellung frgmntd lmnts / lmntl frgmnts zeigt, wie Heinzel das Potenzial des Fragments nutzt, um neue Ordnungen und Bedeutungsräume zu schaffen. Ihre Arbeiten tragen ein konstruktives wie expressives Moment und thematisieren Prozesse der Transformation. Mit der Zusammenführung unterschiedlicher Disziplinen und Techniken entwickelt die Künstlerin eine eigenständige Formensprache, die sowohl offen als auch vielschichtig ist und die Tradition abstrakter Landschaftsmalerei so in eine durch und durch zeitgenössische Ästhetik überführt.
Eliza Grabarek M.A.
* Cyanotypie = Die Cyanotypie ist ein fotografisches Verfahren aus dem 19. Jahrhundert, bei dem eine UV-empfindliche Lösung auf Papier aufgetragen wird. Belichtete Bereiche färben sich blau, während z.B. durch Blätter oder Blüten abgedeckte Stellen weiß bleiben.

Vita
Nicole Heinzel wurde als Tochter deutscher Eltern in Bengasi, Libyen, geboren und lebte im Iran, Trinidad, Tobago sowie Schottland. Zwischen 1987 und 1991 absolvierte Heinzel ein Studium in Kunst, Design und Fotografie am Duncan of Jordanstone College of Art and Design in Dundee, Schottland. 1998 setzte sie ihr Studium an der Kingston University in London fort. Seit 2003 lebt und arbeitet Heinzel in Berlin.
Ihre Arbeiten wurden in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen gezeigt, sowohl in privaten als auch öffentlichen Galerien und Museen. Heinzels Werke sind Teil bedeutender privater und öffentlicher Sammlungen, darunter die Sammlung für Max Imdahl in der Situation Kunst in Bochum und das Museum Pfalzgalerie in Kaiserslautern. Eines ihrer LINEScapes, die Arbeit #2/49 aus dem Jahr 2008, ist dauerhaft in der Ausstellung Landschaft als Weltsicht des Museums Unter Tage in Bochum zu sehen.

Nicole Heinzel
frgmntd lmnts / lmntl frgmnts
8 February – 5 April 2025
Special Opening Hours: Galerierundgang Charlottenwalk: Friday, 14 March 2025, 12am–9pm

Galerie kajetan is delighted to present frgmntd lmnts / lmntl frgmnts, the first solo exhibition by artist Nicole Heinzel (*1969) in its space. Heinzel’s works merge painting and drawing as well as abstraction and figuration in a strikingly innovative way. Through her perfected impasto technique, which lends her two-dimensional works a sculptural quality, Heinzel creates visual worlds rooted in natural forms. Yet, through reduction, fragmentation, and reformation, these forms ultimately transform into a universal, non-figurative visual language.

The fragment as method and structure as visual outcome have always been central to Heinzel’s artistic practice. Her work reflects an ongoing search for the essence and the connective thread between all visible and invisible phenomena. Through formal reduction and sometimes microscopic approaches, she uncovers these connections. Her Scapes and LINEscapes exemplify her multidisciplinary approach:
Heinzel projects photographs of landscapes, forests, seas, or skies onto canvases covered with a 2- to 3-millimeter-thick layer of wet paint. She then traces or carves the outer and inner contours of her nature-based motifs into the surface. After a lengthy drying phase, a second layer of paint is applied across the entire canvas. This layer is subsequently removed so that the secondary color remains visible only in the incised lines and grooves.

Her sophisticated impasto technique recalls printmaking processes, giving her works a relief-like surface. These tactile qualities challenge perception: Are we looking at seascapes, landscapes, or skies, or, as in her LINEscapes, abstract, constructivist-inspired fields of color?

Using both digital and analog techniques, Heinzel manipulates the interplay between foreground and background, mass and space, light and shadow. By abstracting natural motifs such as rose petals or treetops, she flattens visual hierarchies and reduces forms to universal structures. The resulting compositions convey contrasts, dynamics, striking volumes, and tangible surfaces. Heinzel skillfully navigates between micro- and macro-perspectives, between the presence and absence of her organic, color- and form-reduced worlds.

The artist captures her motifs directly using one of the earliest photographic techniques, cyanotype*. While this process serves primarily for motif development, Heinzel reworks the cyanotypes into paintings. The application of a light-sensitive chemical that turns blue upon UV exposure already bridges photography and painting. The recurring use of blue in Heinzel’s work references this analog-photographic step within her layered creative process.
To structure her process, Heinzel employs frameworks — self-imposed parameters that guide her painting. She sometimes sets timers and halts her work at predetermined intervals, preserving the current state of the piece, avoiding overworking it, and, more importantly, making the creative process transparent. This interplay of construction and spontaneous intuition defines all of Heinzel’s work and reflects her deep engagement with painting as a medium and the act of painting itself.

While her frameworks emphasize the seemingly unfinished and „freeze“ individual stages of creation, the final wax layer in Heinzel’s works reflects her commitment to perfection. This layer smooths the surface, obscures brush marks, and lends the works a photographic aesthetic that underscores the tension between process and completion.
Heinzel’s works not only reveal the process of painting but also reflect on the mechanisms of perception itself, which is selective, subjective, and fragile. By dissolving the boundaries between photography, cyanotype, drawing, and painting, Heinzel achieves a multilayered aesthetic defined by organic forms, relief-like texture, and planar abstraction.
The exhibition frgmntd lmnts / lmntl frgmnts explores Heinzel’s use of fragments to create new orders and spaces of meaning. Her works balance constructive precision and expressive spontaneity, addressing processes of transformation. By integrating different disciplines and techniques, Heinzel develops a distinctive visual language that is both open and complex, transforming the tradition of abstract landscape painting into a thoroughly contemporary aesthetic.
Eliza Grabarek M.A.
* Cyanotype = Cyanotype is a 19th-century photographic process in which a UV-sensitive solution is applied to paper. Exposed areas turn blue, while objects such as leaves or flowers block the light, leaving white impressions.

Biography
Nicole Heinzel was born to German parents in Benghazi, Libya, and grew up in Iran, Trinidad, Tobago, and Scotland. Between 1987 and 1991, she studied art, design, and photography at Duncan of Jordanstone College of Art and Design in Dundee, Scotland, and in 1998 continued her studies at Kingston University in London. Since 2003, she has lived and worked in Berlin.
Her works have been exhibited in numerous solo and group exhibitions in private and public galleries and museums. Heinzel’s pieces are part of important private and public collections, including the Max Imdahl Collection at Situation Kunst in Bochum and the Museum Pfalzgalerie in Kaiserslautern. One of her LINEscapes, #2/49 (2008), is permanently on view in the Landschaft als Weltsicht exhibition at the Museum Unter Tage in Bochum.