Haleh Redjaian: Some Things Last a Long Time

7 December 2019 – 8 February 2020

Feine Unordnung
Review von Christiane Meixner im Tagesspiegel vom 1. Februar 2020

Blaue Wirbel und tiefe Trichter
Review von Katrin Bettina Müller in der taz vom 22. Januar 2020

Haleh Redjaian | Some Things Last a Long Time | Ausstellungsansicht | Exhibition view | 2019 | Courtesy Haleh Redjaian & kajetan Berlin | Photo: Marcus Schneider

Spätestens seit Rosalind Krauss’ paradigmatischem und gleichnamigem Aufsatz zum Raster von 1979 galt diesesals modernistisch formale Struktur par excellence, um im Bereich der bildenden Künste gattungsfremde Residuen des Narrativen, Literarischen, Realistischen und Illusionistischen zu tilgen.[1]

Obwohl Haleh Redjaian auf dem Papier oft mit Lineal und auf handgewebten Teppichen mit geradlinig verspannten Fäden ihre Linien zieht, setzt ihre Arbeit auf die Störung und mithin Unzulänglichkeit des Rasters, eines geordneten Systems. 

Dabei sind Redjaians das Rastergitter aufbrechende Markierungen nie expressiv und selten unregelmäßig, weichen nur minimal von seinem starren Muster ab und irritieren gerade dadurch umso mehr. Sie bestehen in der Regel aus sorgfältig gerade gezogenen Linien, einfachen geometrischen Formen, kommen in derselben formalistisch strikten Zeichensprache daher wie das Raster selbst, dessen Rigidität sie generisch zum Verschwinden bringen.

Eine in diesem Sinne zu erfahrende existenzielle Abweichung zeigen auch Redjaians raumgreifende Fadeninstallationen, von denen eine im kajetan Berlin zu sehen ist. Mit einer gewissen Leichtigkeit ihrer sichtbaren Transluzenz und Vergänglichkeit entfaltet die ortsspezifisch-temporäre Installation Spuren einer lauernden raumpoetischen Vorstellungskraft.

In Redjaians im Südiran gefertigten Teppichen dient das Webmuster (Kette und Schuss) als Raster. Diese in Handarbeit hergestellten, an sich schon unregelmäßigeren Raster des Webvorgangs werden von der Künstlerin anschließend bisweilen bedruckt, wobei die gewebte Stoffstruktur als Bildträger in ihrer materiellen Ungleichmäßigkeit die Lithographiefarbe graduell von Stelle zu Stelle unterschiedlich deckend aufnimmt. Immer wird den Teppichen von Redjaian auch eine sie überspannende linienhafte Fadenzeichnung hinzugefügt. Die dabei vor den Teppich und vor die gegebenenfalls auf ihm bereits vorhandene Druckgrafik in geringem Abstand gespannte Fadenzeichnung richtet den textilen Bildträger in seiner Dreidimensionalität sanft straffend und wölbend neu aus.

Für Haleh Redjaian ist das Raster nicht mehr und nicht weniger als eine formbare Struktur, die sie in ihren Arbeiten adaptiert und an der sich zeichnerische Bearbeitungen gleichwertig ausrichten.

Dabei schöpft die Künstlerin aus der Vielfalt zweier Kulturbereiche. Sie verbindet in ihren Linienzeichnungen auf Papier, auf handgewebten Teppichen und in ihren Installationen die geometrische Tradition der westlichen Moderne mit persischer Ornamentik.


[1] Vgl. Rosalind Krauss: Raster, in: Dies.: Die Originalität der Avantgarde und andere Mythen der Moderne, hg. von Herta Wolf, aus dem Amerikanischen von Jörg Heininger; Amsterdam, Dresden 2000, S. 51-66 (zuerst: Rosalind Krauss: Grids, in: October, 9. Jahrgang, Sommer 1979, S. 50-64).

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Haleh Redjaian | Some Things Last a Long Time | Ausstellungsansicht | Exhibition view | 2019 | Courtesy Haleh Redjaian & kajetan Berlin | Photo: Marcus Schneider

Ever since Rosalind Krauss‘ paradigmatic and eponymous essay of 1979, the Grid was considered as a checkpoint of Modernity to eradicate any residual of narrative, literary, realistic and illusionistic aspects in the field of visual arts.[1]

Although Haleh Redjaian often draws precise straight lines on paper, and pulls strained threads on hand-woven rugs, her work focuses on the disruption and thus inadequacy of the grid, of an ordered system.

Redjaian’s grid-breaking markers are never expressive and rarely irregular, deviating only minimally from its rigid pattern and thus irritating it even more. They usually consist of carefully drawn lines, simple geometrical shapes, and come in the same formalistically strict sign language as the grid itself, the rigidity of which they generically make disappear.

In this sense, an existential deviation can be experienced in particular in Redjaian’s expansive thread installations, one of which can be seen in kajetan Berlin. With a certain lightness of their visible translucency and transience, the site-specific, temporary installation unfolds trails of a lurking spatial-poetic imagination.

In rugs made in southern Iran, the weaving pattern (warp and weft) serves as a grid. These artistically produced grids of the weaving process, which are handmade, are sometimes printed by the artist; the woven fabric structure as the image carrier, in its material unevenness, gradually absorbs the lithographic colour differently from place to place. 

Redjaian’s rugs always are supplemented with a line drawing of threads that spans over them. The thread drawing stretched in front of the carpet and possibly in front of the print graphic, which may already be there, aligns the textile image carrier in its three-dimensionality with a slight firming and arching effect.

For Haleh Redjaian, the grid is no more and no less than a malleable structure that she adapts to her work and aligns with equivalent drawings.The artist draws on the diversity of two cultural areas. In her line drawings on paper, on hand-woven rugs and in her installations, she combines the geometric tradition of the Western Modernism with Persian ornamentation. 


[1] Cf. Rosalind Krauss: Raster, in: Grids, in: October, Vol. 9, Summer 1979, pp. 50-64.

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Haleh Redjaian | Some Things Last a Long Time | Ausstellungsansicht | Exhibition view | 2019 | Courtesy Haleh Redjaian & kajetan Berlin | Photo: Marcus Schneider