Elisabeth Vary

27. April – 15. Juni 2024

Elisabeth Vary | Ausstellungsansicht / Exhibition view | Courtesy the artist & Galerie kajetan 2024 | Photo: Marcus Schneider

Die Galerie kajetan freut sich, die nunmehr zweite Einzelausstellung der genreübergreifend arbeitenden, dabei radikalen Malerin* Elisabeth Vary präsentieren zu dürfen. Mit ihren farbintensiven, geometrisch freien Körpern bespielt die Künstlerin die Galerieräume an ungewohnten Stellen und fügt sie zu einer sorgfältig choreographierten Schau einer mehr als dreißigjährigen Schaffenszeit. Die klassischen Gattungsgrenzen sprengend, präsentiert uns Vary ihre vielschichtigen Malstücke, die ihre Identität aus der Farbe als Materie, der konstruierten Form wie auch dem Ausstellungsraum selbst heraus entwickeln und weder Malerei, noch Skulptur sein möchten.

Elisabeth Vary | Ausstellungsansicht / Exhibition view | Courtesy the artist & Galerie kajetan 2024 | Photo: Marcus Schneider

Wir blicken auf unterschiedlich geformte, mal voluminöse, mal flache, stets aber asymmetrische Wandobjekte, die in ihrer Rhythmik und lebendigen Farbigkeit den Raum pulsieren lassen. Die Objekte scheinen vollständig von Farbe durchdrungen, die in ihrer Qualität kaum vielfältiger sein könnte. Von leuchtend bis dumpf, grell bis pastellig, glänzend bis erdig-matt, dickflüssig und pastos bis leicht und lasierend – Elisabeth Varys Farben, ihr Auftrag und ihre Bewegungslinien fügen sich zu einem sinnlichen Spektakel: Wir sehen multiple Farbschichten, die sich gegenseitig durchdringen, sich gegeneinander abgrenzen oder einander überlagern und ineinanderfließen. Wir blicken auf Stücke, die uns weniger die künstlerischen Gesten, als vielmehr die Charakteristiken, wenn nicht sogar das Eigenleben von Farbe vermitteln.

Elisabeth Vary | Ausstellungsansicht / Exhibition view | Courtesy the artist & Galerie kajetan 2024 | Photo: Marcus Schneider

Wenngleich zarte Farblinien, deutliche Farbtropfen und die vielfältigen Farbverläufe experimentell wirken, so sind sie doch das Ergebnis einer vollständigen Kontrolle der Künstlerin: „(…) ich steuere das Fließen der Farbe, weil ich aus Erfahrung weiß, was Farbe in einer gewissen Menge tut, wenn sie fließen darf.“ Die Künstlerin „malt“ zumeist mit einem Stück Karton. Sie trägt Farbe auf, lässt sie fließen oder wirken, trägt sie graduell wieder ab, um sie erneut zu benetzen, zu überlagern oder anzureichern. So entstehen Farbformationen, die als Finish Farbkleckse und Farbspritzer tragen.

Elisabeth Vary | Ausstellungsansicht / Exhibition view | Courtesy the artist & Galerie kajetan 2024 | Photo: Marcus Schneider

Die gewachsenen Farbschichten treten in Konkurrenz zu ihren zumeist voluminösen Trägern, den geometrisch freien Körpern. Die Künstlerin baut die zuvor skizzierten Objekte und Malträger aus Karton und verstärkt sie von innen. Sie erhalten eine Grundierung, um letztlich von allen Seiten farblich bearbeitet zu werden. Jede Seite zeugt von unterschiedlichen Bearbeitungsspuren, die sich durch wiederkehrende Farben oder Strukturen aufeinander beziehen.

Elisabeth Vary | Ohne Titel Untitled | zweiteilig / bipartite | 1997 | Ölfarbe, Acryl auf Karton / Oil, acrylic on cardboard | 225 x 107,5 x 11,5 cm | Courtesy the artist & Galerie kajetan | Photo: Marcus Schneider

Während Vary die Malerei auf ihr Fundament, die Farbe, radikal reduziert, befreit sie die Farbe von ihrer traditionell darstellenden, beschreibenden Funktion und erweitert ihr Wirkungsfeld, indem sie sie buchstäblich über Grenzen, die Objektkanten, fließen lässt. Damit ist das grenzüberschreitende Moment ihrer Kunst im Werk selbst thematisiert. Und dies wird bis in den Raum hinein erweitert:

Die Künstlerin lässt die von ihr bewusst gewählte und kontrollierte Farbe auf ihre frei konzipierten und wohl konstruierten Formen treffen, die ihrerseits mit dem Raum eine Verbindung eingehen. Erst dieser vermittelt uns die Arbeiten in ihrer physikalischen Ausprägung – mal wirken sie leicht und scheinbar schwebend, mal geneigt und spürbar kippend, mal schwer und stabil verankert. Auch ist es der Raum, der bei mehrteiligen Arbeiten das verbindende Element darstellt und als Weißraum zum Werk gehört.

Elisabeth Vary | Ausstellungsansicht / Exhibition view | Courtesy the artist & Galerie kajetan 2024 | Photo: Marcus Schneider

In ihrer räumlichen Gebundenheit aktivieren die multidimensionalen Arbeiten auch uns, die Betrachter. Wir bewegen uns im Raum um sie herum, erschließen neue Perspektiven und gewinnen neue Sinneseindrücke. Damit verweigern sich Varys Arbeiten aber auch einem abschließenden analytischen Zugriff, ebenso dem Zuschreiben zu festen ästhetischen Kategorien wie etwa „malerisch“ oder „skulptural“, „expressiv“ oder „konstruktiv“, „informell“ oder „konzeptuell“. Trotz eines offenen und „ertastenden“ Blickes lassen sich Varys Malstücke nicht in Gänze beschreiben, was sie letztlich gerade deshalb so reizvoll macht.

Eliza Grabarek M.A.

*Beat Wismer: Gemälde sind es nicht. Zum Ort der Werke von Elisabeth Vary, in: Elisabeth Vary, hg. von Aargauer Kunsthaus Aarau und m Bochum Kunstvermittlung, Bochum, Düsseldorf 1998, S. 20–25, S. 25.

Elisabeth Vary | Ausstellungsansicht / Exhibition view | Courtesy the artist & Galerie kajetan 2024 | Photo: Marcus Schneider

Vita

Lebt und arbeitet in Köln und Corberon, Frankreich

Einzelausstellungen (Auswahl):

1978 Wilhelm Lehmbruck Museum, Duisburg; 1989, 1994, 1996, 2003, 2009, 2018 Galerie m, Bochum; 1990 Museum Morsbroich, Leverkusen; 1990 Städtisches Kunstmuseum, Düsseldorf; 1991 Wilhelm-Hack-Museum, Ludwigshafen; 1993 Städtisches Museum Abteiberg, Mönchengladbach; 1991 Kunsthalle Bielefeld; 1998 Von der Heydt-Museum, Wuppertal; 1998 Aargauer Kunsthaus, Aarau (Ch); 2000 Galerie Nordenhake, Stockholm; 2010, 2012, 2020 Fox-Jensen-McCrory Gallery, Sydney (AUS) und Auckland (Nz); 2019, 2022 Galerie Anke Schmidt, Köln; 2020 Galerie kajetan, Berlin; 2024 VAN HORN, Düsseldorf.

Elisabeth Vary | Ausstellungsansicht / Exhibition view | Courtesy the artist & Galerie kajetan 2024 | Photo: Marcus Schneider

Galerie Kajetan is delighted to present the second solo exhibition of the radical painter* Elisabeth Vary, who works across genres. With her color-intensive, geometrically free constructed painting bodies, the artist occupies the gallery space in unusual places and combines them into a carefully choreographed show of more than thirty years of creative work. Transcending the classical genre boundaries, Vary presents us with her multi-layered painting pieces, which develop their identity from the color as material, the constructed form and the exhibition space itself and do not want to be either painting or sculpture.

Elisabeth Vary | Ausstellungsansicht / Exhibition view | Courtesy the artist & Galerie kajetan 2024 | Photo: Marcus Schneider

We look at differently shaped, sometimes voluminous, sometimes flat, but always asymmetrical wall objects that make the space pulsate with their rhythm and vibrant colors. The objects seem to be completely imbued by color, the quality of which could hardly be more diverse. From luminous to dull, garish to pastel, glossy to earthy-matt, thick and pasty to light and translucent – Elisabeth Vary’s colors, her application and her lines of movement combine to create a sensual spectacle: we see multiple layers of color that penetrate each other, delimit each other or overlap and flow into each other. We look at pieces that convey to us less the artistic gestures than the characteristics, if not the very life of color.

Elisabeth Vary | Ausstellungsansicht / Exhibition view | Courtesy the artist & Galerie kajetan 2024 | Photo: Marcus Schneider

Although delicate lines of color, clear drops of color and the diverse color gradients appear experimental, they are the result of the artist’s complete control: „(…) I control the flow of color because I know from experience what color does in a certain amount when it is allowed to flow.“ The artist usually „paints“ with a piece of cardboard. She applies paint, allows it to flow or take effect, gradually removes it again in order to re-wet, overlay or enrich it. This results in color formations with splashes and splatters of color as a finish.

Elisabeth Vary | Ausstellungsansicht / Exhibition view | Courtesy the artist & Galerie kajetan 2024 | Photo: Marcus Schneider

The grown layers of paint compete with their mostly voluminous supports, the geometrically free bodies. The artist builds the previously sketched objects and painting supports out of cardboard and reinforces them from the inside. They are given a primer coat so that they can ultimately be painted on all sides. Each side shows different traces of processing, which relate to each other through recurring colors or structures.

Elisabeth Vary | Ausstellungsansicht / Exhibition view | Courtesy the artist & Galerie kajetan 2024 | Photo: Marcus Schneider

While Vary radically reduces painting to its foundation, color, she liberates color from its traditionally representational, descriptive function and expands its field of action by literally allowing it to flow across borders, the edges of objects. This thematizes the border-crossing aspect of her art in the work itself. And this is extended into the space:

The artist allows her consciously chosen and controlled color to meet her freely conceived and well-constructed forms, which in turn enter into a connection with the space. It is the space that conveys the works to us in their physical form – sometimes they appear light and seemingly floating, sometimes inclined and noticeably tilting, sometimes heavy and firmly anchored. It is also the space that represents the connecting element in multi-part works and is part of the work as white space.

Elisabeth Vary | Ausstellungsansicht / Exhibition view | Courtesy the artist & Galerie kajetan 2024 | Photo: Marcus Schneider

In their spatial binding, the multidimensional works also activate us, the viewers. We move around them in space, open up new perspectives and gain new sensory impressions. In this way, Vary’s works also refuse a conclusive analytical approach, as well as the attribution to fixed aesthetic categories such as „painterly“ or „sculptural“, „expressive“ or „constructive“, „informal“ or „conceptual“. Despite an open and „probing“ gaze, Vary’s paintings cannot be described in their entirety, which is ultimately what makes them so appealing.

Eliza Grabarek M.A.

*Beat Wismer: Non-Paintings. On the Location of the Work of Elisabeth Vary, in: Elisabeth Vary, published by Aargauer Kunsthaus Aarau and m Bochum Kunstvermittlung, Bochum, Düsseldorf 1998, pp. 20–25, p. 24.

Elisabeth Vary | Ausstellungsansicht / Exhibition view | Courtesy the artist & Galerie kajetan 2024 | Photo: Marcus Schneider

Vita

Lives and works in Cologne and Corberon, France

Solo exhibitions (selection):

1978 Wilhelm Lehmbruck Museum, Duisburg; 1989, 1994, 1996, 2003, 2009, 2018 Galerie m, Bochum; 1990 Museum Morsbroich, Leverkusen; 1990 Städtisches Kunstmuseum, Düsseldorf; 1991 Wilhelm-Hack-Museum, Ludwigshafen; 1993 Städtisches Museum Abteiberg, Mönchengladbach; 1991 Kunsthalle Bielefeld; 1998 Von der Heydt-Museum, Wuppertal; 1998 Aargauer Kunsthaus, Aarau (Ch); 2000 Galerie Nordenhake, Stockholm; 2010, 2012, 2020 Fox-Jensen-McCrory Gallery, Sydney (AUS) and Auckland (Nz); 2019, 2022 Galerie Anke Schmidt, Cologne; 2020 Galerie kajetan, Berlin; 2024 VAN HORN, Düsseldorf.

Elisabeth Vary | Ohne Titel / Untitled | 1989 | Pigment, Ölfarbe auf Karton / Pigment, oil on cardboard | 21 x 24,5 x 7,5 cm | Photo: @stan.gross.contemporary